In der Interview-Reihe „Fünf Fragen an“ stellen wir Wissenschaftler*innen, Ausstellungsmacher*innen und Wissenschaftskommunikator*innen des Verbundprojekts „Wissenschaftskommunikation Energiewende“ vor.
Prof. Jens Wolling hat ursprünglich eine Lehre zum Zimmermann absolviert und ist seit 2006 Professor für Empirische Medienforschung an der TU Ilmenau. Er ist Teil des Forscher*innenteams, das die Ausstellung Power2Change: Mission Energiewende aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive begleitet.
In der Ausstellung Power2Change: Mission Energiewende geht es um die Wege in eine klimaneutrale Zukunft. Stellen Sie sich vor, es ist das Jahr 2045: Wie sieht die allgemeine Einstellung zur Energiewende bei den Bürger*innen aus, was ist der größte Unterschied zu heute?
Die meisten Menschen stehen der Energiewende überwiegend positiv gegenüber und unterstützen die damit verbundenen Maßnahmen. Mangelnde Akzeptanz ist also nicht das Problem, sondern ein fehlender Glauben an das tatsächliche Gelingen der Energiewende. Vielen Menschen fehlt das Vertrauen, dass Politik und Wirtschaft sich ernsthaft bemühen, das Projekt zu realisieren. Als optimistischer Mensch glaube ich, dass sich diese Einschätzung im Jahr 2045 grundlegend geändert haben wird. Die großen Fortschritte, die wir bis dahin gemacht haben werden (müssen), überzeugen die Bürger*innen von der Machbarkeit der Energiewende und vom Willen der Verantwortlichen, diese grundlegenden Veränderungen konsequent weiterzuführen.
Die Energiewende ist eines der gegenwärtig wichtigsten Themen in unserer Gesellschaft. Wie kam es dazu, dass Sie aus kommunikationswissenschaftlicher Sichtweise hierzu forschen und was reizt Sie persönlich an diesem Thema?
Die Frage impliziert die Antwort. Wenn es richtig ist, dass die Energiewende eines der wichtigsten aktuellen Themen ist – und diese Einschätzung teile ich – dann ist es für Wissenschaftler*innen, die möchten, dass ihre Forschung gesellschaftlich relevant ist, eigentlich selbstverständlich, sich mit diesem Themenkomplex zu beschäftigen. Ich denke, die Kommunikationswissenschaft kann einen wichtigen Beitrag zum Gelingen der Energiewende leisten, weil viele Probleme der Energiewende kommunikativer Natur sind. Die Zweifel an der Machbarkeit der Energiewende, aber auch die Verunsicherungen, die Menschen mit den Folgen der Transformation verbinden, sind Ausdruck eines fehlenden Vertrauens in die Kompetenz der Verantwortlichen und deren Willen zur Umsetzung. Fehlendes Vertrauen ist im Kern ein Kommunikationsproblem und die Frage, ob und wie Vertrauen aufgebaut oder aber zerstört werden kann, ist höchst relevant.
Was hat Sie bei der bisherigen Forschungsarbeit besonders überrascht?
Wir haben eine ganze Reihe von Erkenntnissen erzielt, die wir nicht erwartet hatten: Wir sind zum Beispiel davon ausgegangen, dass regionale Unterschiede in der Akzeptanz der Energiewende vorhanden sind. Die bisherigen Befunde sprechen eher dagegen. Weiterhin hatten wir erwartet, dass die durch den russischen Angriffskrieg in der Ukraine ausgelöste Energiekrise sich merklich auf die Haltungen der Menschen zur Energiewende auswirken wird. Auch in diesem Fall konnten wir kaum Effekte feststellen: Bei den meisten Menschen blieb die grundlegende Haltung zur Energiewende trotz dieses massiven äußeren Ereignisses weitgehend unbeeinflusst. Das ist die zentrale Leistung empirischer Forschung: Sie erschüttert unsere „Vorurteile“.
Bemerkenswert fanden wir zudem die Vielzahl an Initiativen und Projekten zur Energiewende, die in den bisher untersuchten Regionen zu finden sind. Nicht wirklich überrascht hat uns hingegen, dass die zentralen Themen, die in der Ausstellung behandelt werden, von den Medien bisher kaum aufgegriffen wurden und den meisten Menschen bislang unbekannt sind. Dieser Befund zeigt, wie wichtig Power2Change ist, denn die Ausstellung hat das Potenzial, solche Lösungen bekannt zu machen und damit das Vertrauen der Menschen in die Machbarkeit der Energiewende zu stärken.
Wie kann man sich Ihre Forschungsarbeit konkret vorstellen und mit welchen Methoden arbeiten Sie?
Wir arbeiten mit einer großen Vielfalt an sozialwissenschaftlichen Methoden. Mit computergestützten Inhaltsanalysen erforschen wir, wie die Medien über die Energiewende berichten. Durch Bevölkerungsbefragungen untersuchen wir, wie die Menschen über die Energiewende denken und wie sich ihre Einstellungen im Zeitverlauf verändern. Expert*innen-Interviews helfen uns herauszufinden, welche Aktivitäten und Projekte in den Regionen realisiert werden und welche Netzwerke dabei eine Rolle spielen. Mit Besucherbefragungen analysieren wir, wie die Ausstellung den Besucher*innen gefällt und welche Wirkungen der Ausstellungsbesuch auf sie hat. Zum Teil arbeiten wir auch mit experimentellen Ansätzen und verknüpfen die Daten in Mehrmethodendesigns. Auch die Auswertungsstrategien unserer Daten sind vielfältig. Je nach Fragestellung verwenden wir ganz unterschiedliche Herangehensweisen: Diese reichen von interpretativen Analysen qualitativer Daten über Ansätze der systematischen vergleichenden Forschung bis hin zu komplexen kausalanalytischen Modellen.
Mit welcher (berühmten) Person würden Sie die Ausstellung am liebsten besuchen und warum?
Die Ausstellung hat das Potenzial, den Skeptiker*innen, die an der Machbarkeit der Energiewende zweifeln, zu zeigen, was bereits möglich ist und was noch notwendig ist, um die vorhandenen Hindernisse zu überwinden. Gerade für jene Personen, die schon ein Grundverständnis von den Herausforderungen der Energiewende haben, kann die Ausstellung sehr aufschlussreich sein. Von daher würde ich mir vor allem Multiplikator*innen und zwar insbesondere Unternehmer*innen, Politiker*innen, und Journalisten*innen als Begleitung wünschen, die daran zweifeln, dass wir das hinbekommen können. Ich denke, die Ausstellung könnte dazu beitragen, dass sie ein positiveres Bild von der Machbarkeit bekommen und dieses dann hoffentlich als Multiplikator*innen auch weitertragen.